"Sekt oder Selters?"

Die diesjährige Halbtagesfahrt des Heimat- und Geschichtsvereins Igstadt führte nach Niederselters im Taunus. Das Thema „Selterswasser“, ein Begriff der bis heute allgemein für Mineralwasser benutzt wird, stand im Mittelpunkt der mit 40 Teilnehmern ausgebuchten Exkursion.

Vor Ort wurden die Igstadter vom Direktor des Museums Dr. Norbert Zabel in Empfang genommen. Schon nach wenigen einführenden Sätzen wurde klar, dass die Führung mit Herrn Zabel ein besonderes Erlebnis werden würde. Fachlich fundiert, gewürzt mit der einen oder anderen Anekdote, konnte der ehemaligen Bürgermeister seine Zuhörer immer wieder fesseln und ließ die eineinhalbstündige Führung zu einem kurzweiligen Erlebnis werden. Das Wahrzeichen der Gemeinde Selters, das Brunnengebäude, das man seit seiner Errichtung in den Jahren 1906-1908 Brunnentempel nennt und in dem die altehrwürdige Selterswasserquelle aus der Erde tritt, wurde in den letzten Jahren vollständig restauriert. Im Jahre 1999 war die ehemals berühmte Selterswasserquelle stillgelegt worden, 2001 hatte die Gemeinde Selters die Brunnenanlage erworben und mit einer Umgestaltung begonnen. Beginnend mit Jakob Theodor Tabernaemontanus, der bereits 1581 über das Selterswasser, aber auch andere deutsche Quellen schrieb, erfuhren die Besucher, wie aus einem Sauerborn am Ortsrand von Niederselters in Kurtrierischer Zeit (bis 1802) eine bekannte Heilquelle wurde, dessen Wasser schon im 18. Jahrhundert an Europas Fürstenhöfen geschätzt wurde. In den Jahren des Herzogtums Nassau (1806-1866) sprach man vom berühmtesten Jungbrunnen Deutschlands, denn am Seltersbrunnen wurden im 19. Jahrhundert jährlich bis zu drei Millionen Krüge gefüllt, die im Kannenbäckerland hergestellt und in allen Erdteilen nachgefragt wurden. 

Nach einer kurzen Einführung zur Architektur der Gebäude und zur Gestaltung der Parkanlage führte Herr Dr. Zabel durch die gesamte Brunnenanlage. Im historischen Füllgebäude wurde die Rolle der Brunnenmädchen erläutert, die die Tonkrüge mit Mineralwasser füllten, mit Korken verschlossen und mit Pech abdichteten. Noch heute können die Bürgerinnen und Bürger von Niederselters im Haustrunkraum ihre selbst mitgebrachten Flaschen füllen. Auch die Igstadter Gruppe konnte hier das ursprüngliche Selterswasser verkosten, dessen typischer Eisengehalt sich im Gesicht des einen oder anderen widerspiegelte.

 

Letzte Station des Rundgangs war der Museumsraum, in dem neben einer Gesteins- und Mineraliensammlung auch eine Vielzahl von historischen Mineralwasserkrügen und einige Beispiele aus über 200 Publikationen zum Thema Mineralbrunnen Niederselters präsentiert werden. Besonderen Eindruck hat die Beschreibung der jüngsten Geschichte des Brunnens bei den Zuhörern hinterlassen. Während des Nazi-Regimes haben SS-Truppen den Brunnen beschlagnahmt und russische Zwangsarbeiterinnen nach Niederselters deportiert. Zwar haben diese Frauen das Ende des Krieges überlebt, doch ihre unehelichen Kinder wurden unmittelbar nach der Geburt ermordet. An ihr Schicksal wird in Niederselters in besonderer Weise erinnert.

Nach dem Mittags-Buffet stand unter Führung von Herrn Zabel der Besuch des Hofes zu Hausen in Eisenbach auf dem Programm. Der denkmalgeschützte Hof entstand im 13. Jahrhundert als Filialhof des Klosters Gnadenthal. 1275 ist der Erwerb des Hofes durch das Kloster von der Familie von Velden beurkundet. Nach dem Dreißigjährigen Krieg wurde er in ein Frauenstift umgewandelt, fiel aber bald an das Haus Nassau-Diez. 1659 ist der Hof als Sonderlehen an Achatius von Hohenfeld verliehen worden. Die Familie von Hohenfeld, die im Besitz dieses Lehens war, stellte seither die trierischen Camberger Oberamtmänner, wodurch der Hof faktisch Teil des Amtes Camberg war.

 

Ab 1822 befand er sich der Hof im Besitz des nassauischen Generalmajors August von Kruse. Er erhielt ihn als Anerkennung seiner Verdienste in den Befreiungskriegen. Auf dem 58 Hektar großen Anwesen erprobte er neue Anbaumethoden und machte Viehzucht-Versuche. Seine Erkenntnisse schlugen sich in Fachpublikationen nieder. Der Musterhof wurde Domänengut und ist seit 1918 Privateigentum. 1928 erwarb der Wiesbadener Apotheker Adam Herbert Hof und Ländereien. Heute gehört der Hof dem Haus Plettenberg. Das Hauptgebäude des Hofes ist das zweistöckige, langgestreckte Herrenhaus mit hohem Walmdach. Es wurde 1662 von Achatius von Hohenfeld erbaut und später verputzt. Über dem Torbogen befindet sich das Wappen des Achatius von Hohenfeld. Unter einem quergestellten Erker an der vorderen Ecke steht die barocke Nischenfigur des Heiligen Nepomuk. Der gusseiserne Balkon stammt aus nassauischer Produktion um 1840. Bei strahlendem Sonnenschein spazierte die Gruppe anschließend durch eine herrliche Landschaft zur Grabkapelle von August Freiherr von Kruse († 1848) und seiner Frau Henriette, geborene von Dungern († 1873), die etwa 250 Meter östlich des Hofes an einer alten Wegekreuzung liegt. Der Rückweg zum Bus dauerte etwas länger, denn die Pferde auf den angrenzenden Koppeln ließen sich von den Kindern geduldig streicheln. Am Ende der Exkursion überreichte der HGV Herrn Dr. Zabel die Igstadter Chronik und weitere Vereins-Publikationen verbunden mit einem herzlichen Dankeschön für die herausragende Führung. So konnte es nicht verwundern, dass die Frage nach „Sekt oder Selters ?“ von allen Teilnehmern mit einem klaren „Selters !“ beantwortet wurde … und das, obwohl am gleichen Wochenende der Deutsche Sekttag gefeiert wurde.

Michael Weidenfeller

Impressionen

Das Igstadter Wappen