Auf den Spuren des Lahn-Marmors
Die diesjährige Halbtagesfahrt des Heimat- und Geschichtsvereins Igstadt führte bei herrlichem Sonnenschein und angenehmen Temperaturen nach Villmar an der Lahn. Es war bereits das vierte Ziel des HGV im Geopark Westerwald-Lahn-Taunus. Nach der Kubacher Kristallhöhle, dem Selterswassermuseum und dem Tertiär-, Industrie- und Erlebnispark Stöffel stand dieses Mal der „Lahn-Marmor“ im Mittelpunkt der mit 42 Teilnehmern ausgebuchten Exkursion. Lahn-Marmor wurde als dekorativer Werkstein in vielen repräsentativen Bauwerken in Ländern rund um den Globus verwendet.
Dazu gehören auch die Empfangshalle des Empire State Buildings in New York, der Bahnhof Haidar Pasha in Istanbul, das Kapitol in Havanna, die Eremitage in St. Petersburg und die U-Bahn in Moskau. Die Altäre im Wormser und im Limburger Dom sind ebenso mit Lahn-Marmor ausgestattet wie zahlreiche Gebäude in Wiesbaden. Beispiele sind die Säulen im Thiersch-Saal des Kurhauses, das Biebricher Schloss und der Altar der Medenbacher Kirche.
Auch in Igstadt stößt man auf den beliebten Werkstein des Barocks und des 19. Jahrhunderts, dessen Abbau aus wirtschaftlichen Gründen in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts zum Erliegen kam. Das Taufbecken in der Evangelischen Kirche in Igstadt ist aus zwei Varietäten gefertigt. Umso interessanter war es für die Exkursionsteilnehmer zu erfahren, woher eigentlich der Marmor stammt und wie er gewonnen und verarbeitet wurde. Als kleinen Vorgeschmack ließ Michael Weidenfeller, der 1. Vorsitzende des HGV, acht Würfel aus Lahn-Marmor verschiedenster Färbung und Struktur im Bus herumgehen. Die Teilnehmer waren erstaunt zu erfahren, dass der Begriff „Lahn-Marmor“ als Handelsname zu verstehen ist und im geologischen Sinn kein Marmor wie z.B. der berühmte Carrara-Marmor ist. Vielmehr handelt es sich um einen Kalkstein, der sich aus Ablagerungen eines tropischen Riffs vor ca. 380 Millionen Jahre gebildet hat.
Erstes Ziel der Exkursion war das neue Lahn-Marmor-Museum direkt am Flussufer bei Villmar. Kurz vor dem Museum überquerte der Bus die aus Lahn-Marmor erbaute Brücke. In der Eingangshalle begrüßte Herr Alban vom Museumsverein die Igstadter und führte kurzweilig und äußerst kompetent durch die Ausstellung. Er berichtete über die Schwierigkeiten und Widerstände, die in der Planungsphase auftraten und über das große Engagement Ehrenamtlicher, die mit anpackten und den Innenausbau fast ausschließlich in Eigenleistung bewerkstelligten. Neben der Gewinnungstechnik waren auch viele Exponate aus Lahn-Marmor zu bestaunen. Auch die Dokumentation über die Verbreitung der Lahn-Marmor-Werksteine stieß auf großes Interesse. Dabei stellten die aufmerksamen Besucher schnell fest, dass der Taufstein aus der Igstadter Kirche noch nicht dokumentiert ist. Kurzerhand wurde vereinbart, dies nachzuholen. Ingrid Dahl, 2. Vorsitzende des HGV, lud Herrn Alban nach Igstadt ein, der sich begeistert zeigte und spontan zusagte.
Die Führung zum ehemaligen Unica-Steinbruch übernahm Michael Weidenfeller. Genau 380 Meter misst die Entfernung vom Museum zum Steinbruch. Auf dem Weg wird die Erdgeschichte von der Jetzt-Zeit bis in die Zeit der Entstehung des Marmors auf informativen Tafeln dargestellt. Mit jedem Meter legt man also eine Million Jahre zurück bis in das Devon vor 380 Millionen Jahren. Zu dieser Zeit herrschte ein tropisches Klima. Die Gegend um Villmar lag damals knapp südlich des Äquators. In den flachen Gewässern bildete sich Riff, das sich überwiegend aus schwammartigen Lebewesen, den sogenannten Stromatoporen aufbaute. Auch Korallen und Seelilien sind nachweisbar. Aktive Vulkane und Stürme zerstörten immer wieder Teile des Riffs. Über viele Millionen Jahre versteinerten schließlich die Ablagerungen und wurden erst wieder mit dem Abbau der Gesteine sichtbar. Aufbau und Geschichte des Riffs sind im Steinbruch Unica in einer glatt geschliffenen ehemaligen Abbauwand zu studieren. Der Einblick in ein devonzeitliches Riff ist weltweit einzigartig, so dass der ehemalige Steinbruch unter Denkmalschutz gestellt wurde.
Von Villmar aus ging es nach kurzer Fahrt zum König-Konrad-Denkmal, das hoch über der Lahn auf einem steilen Felsen, dem Bodenstein, 1894 erbaut wurde. Von hier aus hat man einen herrlichen Blick auf das Lahntal mit Villmar im Osten und Runkel mit der Burg und dem Schloss Schadeck im Westen. Das Denkmal ist dem deutschen König Konrad I. (911-918) gewidmet, der die Krone Heinrich von Sachsen übertrug. Die aus Sandstein gefertigte 2,30 m hohe Statue steht auf einem Sockel aus Lahn-Marmor. Sie zeigt den König bei der Kronübergabe. Anschließend kehrten die Igstadter im Gasthaus Schaaf in Runkel-Schadeck ein, wo man bei leckerer regionaler Küche und kalten Getränken die Fahrt ausklingen ließ.
Michael Weidenfeller