Rezension

Igstadter Geschichte(n)

Von den Anfängen bis ins 19. Jahrhundert

Chronik 1

Hrsg. v. Heimat- und Geschichtsverein Igstadt e. V. Wiesbaden: Reiß Verlag, 2008. 284 Seiten, mit zahlreichen Schwarzweiß-Abbildungen,

ISBN 978-3-928085-49-6 / Geb. EUR 24,80

 

Wissenschaftliche historische Texte können ziemlich trocken und langweilig sein, wohingegen Geschichten sehr gern gelesen werden, zumal wenn es sich um Themen aus der Vergangenheit des eigenen Ortes handelt. Dies hat sich wohl auch der Vorstand des erst 1992 neu gegründete Heimat- und Geschichtsvereins Igstadt e.V. gedacht, als er diese Ortschronik herausbrachte und ihr den o.a. Titel gab. Die einzelnen Kapitel dieser Chronik stammen aus der Feder von fünf verschiedenen Autoren (Dr. Hartmut ESSIG, Dr. Thomas TERBERGER, Walter CRECELIUS, Ruth LICHTENHELDT und Hans ­Dieter DÖRR), von denen H. ESSIG mehr als die Hälfte allein verfaßt hat. Er stützt sich dabei auf die Quellen der drei hessischen Staatsarchive sowie der Stadtarchive Wiesba­den und Mainz, die am Ende des Buches in übersichtlicher Form aufgelistet sind (S. 265-279).

 

Der Inhalt der Chronik ist zwar chronologisch angeordnet, aber die einzelnen Kapitel sind nicht tief gestaffelt gegliedert. Dies hat natürlich zur Folge, daß wichtige Kapitel zur Landes- und Ortsgeschichte (z.B. Igstadt wird hessisch. Der „Ländchen"-Verkauf 1492) gleichberechtigt neben weniger bedeutenden (Der „Lennedisch") stehen. Aber dies wird den an seiner Heimatgeschichte interessierten Leser wenig stören, weil hier ohnehin nicht eine umfassende Ortsgeschichte geboten wird, sondern nur ausgewählte, herausragende Themen schlaglichtartig beleuchtet werden.

 

Von überregionaler Bedeutung, vielleicht sogar als Sensation zu werten, ist die Ent­deckung von Spuren einer Siedlung von Pferdejägern aus der jüngeren Altsteinzeit, die 1992 und 1995 bei Igstadt ausgegraben wurden. Den Bericht hierüber liefert der dama­lige Ausgräber, der Archäologe Thomas TERBERGER, jetzt Universität Greifswald. - Einen thematischen Schwerpunkt stellen die Besitzungen des Mainzer Altmünsterklos­ters (Zisterzienserinnen) dar (H. ESSIG). Das Kloster hatte in Igstadt umfangreichen Grundbesitz von ca. 400 M, den Zehnten von Feldfrüchten und Tieren und war ur­sprünglich auch Ortsherr mit dem Recht zur Erhebung der Bede und des Besthaupts gewesen. Die Hoheitsrechte (Vogtei) brachten die Landgrafen von Hessen an sich, was einen langwierigen Prozeß vor dem Reichskammergericht zur Folge hatte; die Lände­reien, aus deren Erträgen das Kloster lebte, wurden in zwei Höfe eingeteilt und an mehrere Pächter aus der Gemeinde verliehen, die als Pacht einen Teil ihrer Ernte an das Kloster abgeben mußten.

 

Landesgeschichtlich relevant sind die Kapitel „Igstadt wird hessisch" und „Igstadt wird nassauisch" (H. ESSIG). Als 1492 Graf Gottfried IX. von Eppstein einen Teil seiner Herrschaft an den Landgrafen Wilhelm III. von Hessen verkaufte, kam Igstadt mit anderen Dörfern des „Ländchens" an die Landgrafschaft Hessen und blieb dort, bis es im Zuge von umfangreichen Gebietstauschen und Entschädigungen als Folge des Reichsdeputationshauptschlusses 1802 an Nassau kam.

 

Mit der Entwicklung des Ortes, alten kartographischen Darstellungen und einem Ortsplan von 1702 beschäftigen sich Hans-Dieter DÖRR und Hartmut ESSIG. Der farbig bedruckte feste Einband ist mit einem Ausschnitt aus der Karte von Wilhelm Scheffer gen. Dilich (nicht Scheffler, S. 164) von 1608, auf der die erste, allerdings stili­sierte Darstellung einer Ortsansicht von Igstadt versehen, auf der mit einiger Phantasie auch die Umfassung des Orts mit einer Hecke als eine Art Befestigung zu erkennen ist, wie sie viele Orte des „Ländchens" hatten. Beide Autoren konnten die im Plan von 1702 dargestellten Hofreiten mit den Eintragungen in einem Lagerbuch von 1702 iden­tifizieren und einzelne öffentliche und private Gebäude, wie Rathaus, Schulhaus, Back­haus, Brüel-Pforte, Hohlpforte, Brauhaus, Kelterhäuser, Schmieden nach ihrer Lage orten. Sie schildern auch den Bauboom, der mit der Einrichtung neuer Baulinien ab 1831 einsetzte.

 

Mit der Kirche vor und nach der Reformation und mit Bau und Weihe der Barock­kirche sowie mit dem Bau der „Ländchesbahn" beschäftigt sich Walter CRECELIUS, der im Vorwort als bester Kenner der Ortsgeschichte benannt wird. - Die Kapitel Mühlen („Obermühle" und „Untermühle"), Weinbau und die Ausführungen über einen Kop­pelhutevertrag mit Medenbach von 1705 verfaßte Ruth LICHTENHELDT.

 

Hervorzuhe­ben ist, daß die Chronik lesbar geblieben ist, ohne jedoch auf wissenschaftliche An­sprüche zu verzichten. Dem rührigen Igstadter Heimat- und Geschichtsverein ist durch die Zusammenarbeit von mehreren Autoren eine ansehnliche Chronik gelungen, der demnächst noch ein zweiter Band mit dem Titel „Vom Bauerndorf zum Stadtteil - Das 20. Jahrhundert" folgen soll.

 

Dr. Hans Joachim Häbel, Wiesbaden

Das Igstadter Wappen